Gewissensentscheidung vor dem Oberverwaltungsgericht

Am Dienstag, dem 17.01.2023 um 10.00 Uhr sollte im Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in der Berliner Hardenbergstraße 31 die mündliche Verhandlung in der Disziplinarsache Bundesrepublik Deutschland gegen Oberregierungsrat Stephan Kohn stattfinden.

Oberregierungsrat Stephan Kohn (links) mit seinem Verteidiger im großen Saal des OVG Berlin-Brandenburg.

Herr Kohn ist Verwaltungswissenschaftler und war bis zu seiner Suspendierung Anfang Mai 2020 im Rang eines Oberregierungsrates im Bundesinnenministerium (BMI) als Referent im Referat Krisenmanagement und Bevölkerungsschutz (Referat KM 4, Abteilung 4; Schutz kritischer Infrastrukturen, zu denen beispielsweise Kraft- und Wasserwerke sowie die medizinische Versorgung und Krankenhäuser gehören) tätig. Am 08.05.2020 versandte Kohn einen auf der Grundlage verschiedener Gutachten verfassten Auswertungsbericht mit dem Titel „Corona-Krise 2020 aus Sicht des Schutzes kritischer Infrastrukturen, Ergebnisse der internen Evaluation des Corona-Krisenmanagements“ an führende Beamte im BMI, darunter auch an den Staatssekretär Hans-Georg Engelke und an die Innenministerien der Länder. Das Dossier fand zudem zeitnah einen Weg in die Öffentlichkeit und ist hier (http://schlussjetzt.org/BMI-Corona-Papier.pdf) einsehbar. Das BMI distanzierte sich direkt nach dem Schreiben in Mitteilungen an die Gutachter und am 10.05.2020 auch öffentlich von Kohns Handlungsweise und von Inhalten seines Berichts. Kohn wurde daraufhin suspendiert und soll nun auch gerichtlich in zweiter Instanz aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Bereits im erstinstanzlichen Verfahren am Verwaltungsgericht Berlin war Stephan Kohn in der Disziplinarsache unterlegen und kämpft nun weiter für seinen Verbleib im Beamtenverhältnis und gegen die Suspendierung.

Ein freundlicher Justizwachtmeister weist vor dem Saal darauf hin, dass zur mündlichen Verhandlung im großen Saal des OVG Berlin-Brandenburg nur 18 Plätze für die interessierte Öffentlichkeit vorgesehen sind, zudem soll im riesigen Saal nach Vorgabe ein Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten und die Fenster während der Verhandlung geöffnet werden. Etwa zwanzig Minuten vor Verhandlungsbeginn erscheint der Senatsvorsitzende Dr. Riese kurz im Saal und ordnet im Rahmen seiner sitzungspolizeilichen Befugnisse eine Maskenpflicht für alle Zuschauer/innen an. Am Ende werden es insgesamt allerdings etwa 30 Zuschauer/innen im Saal werden, da vereinzelt immer noch Menschen zur Veranstaltung hinzustoßen.

Der Vorsitzende des 82. Senats, Disziplinarsenat der Bundesbeamten und Bundesbeamtinnen, eröffnet pünktlich die mündliche Verhandlung im Verfahren OVG 82 D 2/22. Zuvor wird noch eine ehrenamtliche Beamten-Beisitzerin des aus insgesamt fünf Richter/innen bestehenden Senats feierlich vom Vorsitzenden auf das in den vergangenen Jahren doch arg strapazierte Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der nicht minder lädierten Verfassungen der beiden Länder Berlin und Brandenburg vereidigt. Die Ehrenamtliche schwört in der eher grotesk anmutenden Zeremonie, nach bestem Wissen und Gewissen, ohne Ansehen der Person, nur nach den Gesetzen zu urteilen und nur der Wahrheit und der Gerechtigkeit zu dienen, allerdings ohne Gottes Hilfe.

Nach den großen Worten auf der Richterbank geht es nun endlich los mit der Registrierung der erschienenen Beteiligten. Auf Seiten der Bundesrepublik Deutschland in Gestalt des BMI ist Rechtsanwalt von B. in Begleitung des Sachbearbeiters aus dem BMI, Herrn S. erschienen. Der Berufungskläger, Oberregierungsrat Kohn in Begleitung seines Rechtsanwalts.

Der Vorsitzende weist darauf hin, dass die beisitzenden Richter/innen durch die Berichterstatterin des Senats in den Sach- und Streitstand eingeführt worden sind und fragt die Beteiligten, ob ein Sachbericht durch die Berichterstatterin allgemein für nötig erscheint. Die Beteiligten kennen den Sachverhalt und verzichten gemäß § 103 Abs. 2 VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) beidseitig. An dieser Stelle treten erstmals die Probleme der ungenügenden Saal-Akustik in Verbindung mit der vorhandenen Technik auf. Ohne die nahe Nutzung der vorhandenen Mikrofone an den Plätzen aller Beteiligten wird das im riesigen Verhandlungssaal zum Verständnisproblem. Der Vorsitzende weist also im Interesse aller Anwesenden auf die entsprechende schonungslose Nutzung der vorhandenen Technik hin, was dann im Grunde auch im gesamten Fortgang der Verhandlung funktionieren sollte, anders als beispielsweise die Technik im fulminanten Berliner Sozialgericht.

Im Fortgang erläutert der Rechtsanwalt des Oberregierungsrates seine Berufungsbegründung in mehreren Punkten zum erstinstanzlichen Urteil der Disziplinarkammer des Berliner Verwaltungsgerichts. Schwerpunktmäßig geht es hierbei um die interne E-Mail Kohns, nebst Anlagen vom 08.05.2020 an verschiedene Stellen und Vorgesetzte im BMI und an das Büro des damaligen Bundesinnenministers Horst Seehofer, in der das besagte Dossier versandt wurde.

Der hiesige Senat ist der Auffassung, so der Vorsitzende Dr. Riese, dass das Verwaltungsgericht den Kontext der E-Mail nicht hinreichend berücksichtigt habe, sondern für seine Urteilsfindung nur den reinen Inhalt der E-Mail zugrunde gelegt hatte. Im Rahmen der Sachaufklärungspflicht wird der Senat diesen Gesamtkontext ausführlich beleuchten und einordnen, so der Vorsitzende weiter.

Der Rechtsanwalt des Oberregierungsrates moniert, dass das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Urteil von zahlreichen Pflichtverletzungen seines Mandanten ausgegangen sei, also von wiederholten Pflichtverletzungen. Streitgegenständlich sei aber nach seiner Ansicht nur die vorliegende E-Mail. Das Verwaltungsgericht wertete diese nur als den schwersten Pflichtverstoß und ordnete Kohn somit als „Wiederholungstäter“ ein und beschloss – auch aufgrund einer vorliegenden Persönlichkeitseinschätzung eines Vorgesetzten Kohns – die Entfernung aus dem Dienstverhältnis.

Mit der Erwiderung hierauf tut sich der Anwalt des BMI etwas schwer, allerdings nur in Bezug auf die Nutzung des vorhandenen Mikrofons an seinem Platz.

Der Vorsitzende erklärt dem Juristen den Umgang mit dem technischen Gerät etwas genauer und weist süffisant darauf hin, dass dieser sich seine Äußerungen genau überlegen solle, da diese dann bei richtiger Nutzung auch im ganzen Saal hörbar seien.

Nachdem nun die technischen Fragen geklärt sind, machen die offen stehenden Fenster die Akustik im Saal zunichte, als Einsatzfahrzeuge mit Martinshorn auf der nahen Hardenbergstraße vorbeidonnern. Das Problem wird von der engagierten Öffentlichkeit im Saal schnell gelöst, um nicht weiter inmitten einer Hauptstraße der Verhandlung zu folgen.

Der Rechtsanwalt des BMI führt anschließend aus, dass Kohn wiederholt von seinem Vorgesetzten aufgefordert wurde, die Arbeit an dem Dossier einzustellen, was dieser nicht tat und somit mehrfach gegen Anweisungen verstoßen habe. Die Versendung der E-Mail vom 08.05.2020 sei nur eine Steigerung und der Höhepunkt der Pflichtverletzungen gewesen, somit keine einmalige, sondern aus seiner Sicht wiederholte Pflichtverletzung, welche die Entfernung aus dem Dienstverhältnis rechtfertigen würde.

Nachfolgend möchte Oberregierungsrat Kohn auf die Vorwürfe gern selbst Stellung beziehen und wird vom Vorsitzenden noch zuvor über seine Rechte im gerichtlichen Disziplinarverfahren belehrt, dass dieser Fragen des Senats nicht beantworten müsse, selbstverständlich aber antworten könne. Aus einem Schweigen werde der Senat auch grundsätzlich keine nachteiligen Schlüsse ziehen. Dies wird auf Anweisung des Vorsitzenden von der Protokollantin, Frau M. auch fein ins Protokoll aufgenommen. zuweilen hat diese auch etwas Schwierigkeiten mit der Diktiergeschwindigkeit des Senatsvorsitzenden und äußert darüber ihren Unmut. Der Fachkräftemangel macht offenbar auch vor dem OVG Berlin-Brandenburg nicht halt.

Stephan Kohn legt Wert darauf, in Bezug auf die Vorwürfe eine zeitliche Unterteilung vorzunehmen. Einerseits die Zeit von Anfang Mai 2020 bis zum 07.05.2020 und andererseits der 08.05.2020 selbst. Kohn führt weiter aus, dass es dem Vorgesetzten im ersten Zeitabschnitt bekannt war, dass er an der Thematik arbeite, es wurden Teilergebnisse seiner Arbeit zur Kenntnis genommen, ausgewertet und auch verwertet. Auch wurde von der Organisationseinheit seines Referats der Leitung des damaligen Krisenstabes gemeldet, dass ein Mitarbeiter im Referat KM 4 permanent das Krisenmanagement analysiert. Dem wurde auch nicht widersprochen. Auch nicht auf explizite Nachfragen Kohns selbst bei den Referatsbesprechungen mit seinem direkten Vorgesetzten, in denen eine Fortführung der Arbeit nicht untersagt worden wäre. Bei diesen Besprechungen wären auch mehrere Kollegen anwesend gewesen, die dies bezeugen könnten. Zudem liege hier auch die Zeugenaussage seines Referatsleiters im Disziplinarverfahren vor, in dem dieser ihm nicht untersagt habe, weiter an der Angelegenheit zu arbeiten.

Hier ergibt sich eine Diskrepanz zur Aussage in den Akten, sodass der Vorsitzende Dr. Riese auf die in den Akten befindliche Aussage des Rederatsleiters zurückgreift und erwähnt, dass der Vorgesetzte hier aber auch erwähnt habe, dass dies nicht zum Aufgabenbereich des Referats gehören würde.

Oberregierungsrat Kohn weist abermals darauf hin, dass ihm die weitere Befassung mit der Angelegenheit zu keinem Zeitpunkt durch seinen direkten Vorgesetzten untersagt wurde und auch eine gewisse eigenständige Arbeitsweise bestehen würde. Zudem sah sich Kohn im Fortgang Anfang Mai 2020 dazu veranlasst und auch verpflichtet, bei seinen Vorgesetzten zu remonstrieren, da seiner Ansicht nach zuvor wichtige Informationen der täglichen Analyse in der Pandemie in der Hierarchie nicht weitergegeben wurden. Der Unterabteilungsleiter weigerte sich jedoch, die Informationen weiterzuleiten und darüber zu entscheiden, da er kurz vor seiner Abberufung aus der Abteilung stand, sodass sich Kohn im Rahmen der Remonstration gegen diese Nichtentscheidung an den Abteilungsleiter als nächsten Vorgesetzten wandte. Auch dieser wurde nicht tätig, sodass sich Kohn nach einigen Tagen an dessen Vertreter wandte. Auf kurze Nachfrage einer ehrenamtlichen Richterin zum zeitlichen Ablauf erklärt der Oberregierungsrat, dass er in dieser Zeit Ende April/Anfang Mai 2020 zweigleisig vorgegangen sei. Einerseits auf dem Dienstweg und andererseits hatte er sich am 25.04.2020 direkt an den Minister, über das Ministerbüro gewandt, da in einer vorhergehenden Personalversammlung allgemein mitgeteilt wurde, sich in besonders gelagerten Fällen auch direkt an diesen zu wenden, was er auch durchaus für eine gute Sache hielt. Auch vom Ministerbüro wurde er nicht auf den Dienstweg verwiesen oder ihm gar die weitere Arbeit in der Angelegenheit untersagt, sondern von dort mitgeteilt, dass Gedanken aufgezeigt würden, wie seine Arbeit in einen erfolgversprechenden Prozess eingebettet werden können. Kohn sieht darin eine relevante Bestätigung seiner vorgelegten Arbeit.

Der Vorsitzende hält an dieser Stelle zusammenfassend fest, dass dem Oberregierungsrat bis zum 07.05.2020 ausdrücklich gestattet wurde, an der Analyse arbeiten zu dürfen, aber nicht für das Referat KM 4 nach außen zu treten.

Der Oberregierungsrat erläutert im Fortgang, dass sich mit dem 08.05.2020 die Rahmenbedingen deutlich veränderten und er sich an die alte Weisung nicht mehr gebunden fühlte. Seiner Auffassung nach setzen neue Rahmenbedingungen auch neue Weisungen voraus. Er habe sich aber nicht selbst um neue Weisungen bemüht, sondern nach eigenem Verantwortungsgefühl gehandelt. Seit dem 27.02.2020 arbeitete der Krisenstab im Grunde permanent rund um die Uhr und auch am Wochenende an der Analyse und Auswertung zum Schutz der kritischen Infrastruktur.

Der Rechtsanwalt des BMI bezieht sich in der Erwiderung auf anderslautende Anweisungen von Kohns Vorgesetzten und verweist zudem darauf, dass das Ministerbüro täglich hunderte Eingänge erhalte und der Büroleiter in einer Antwort erklärt habe, dass er sich diese Ausarbeitung des Oberregierungsrates gar nicht angesehen hätte. Der Büroleiter des Ministers hätte zwar ein Gespräch in der Angelegenheit angeboten, was aber im Endeffekt nicht stattgefunden habe. Am 08.05.2020 sei dann von Kohn die Ausarbeitung per E-Mail weitläufig verschickt worden. Aus einer Vernehmung des Zeugen A. aus der Disziplinarklage wird zitiert, dass dem Oberregierungsrat zuvor vom Vorgesetzten untersagt worden wäre, dienstliche Mittel weiter für diese Ausarbeitung zu nutzen.

Der Vorsitzende Dr. Riese weist an der Stelle darauf hin, dass der Zeuge in der Vernehmung am Verwaltungsgericht eine Aussage gemacht hat, die einen etwas anderen Rückschluss zulässt.

Oberregierungsrat Kohn führt weiter aus, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit zur Umsetzung der nationalen Strategie zum Schutz der kritischen Infrastruktur zuständig für die Bereiche Energie, Stromversorgung, Internet, Trinkwasser und Gesundheitswesen war und hierbei zur Umsetzung des Risiko-Krisenmanagements. Gesetzesentwürfe, die vom BMI nicht mit gezeichnet wurden, wurden von der Bundesregierung letztlich auch nicht beschlossen. Dass das BMI von keinen negativen Zukunftsprognosen ausging erzeugte bei Kohn vorliegend einen Gewissenskonflikt. Das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin mit der Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Dienstverhältnis entziehe ihm die Existenzgrundlage, so Kohn weiter. Er sei immer loyal zu seinem Dienstherren gewesen, seine Arbeit und er selbst dabei von seinen Vorgesetzten stets gut bewertet worden.

Der Vorsitzende Dr. Riese wirft ein, dass der Vertrauensverlust als objektiv zu beúrteilen sei und fragt den Oberregierungsrat, ob dieser seine E-Mail noch einmal so verfassen und auf diese Weise versenden würde.

Nach einigem Zögern verweist Herr Kohn in der Antwort hierzu darauf, dass die damalige Situation mit einem Gewissenskonflikt behaftet war, er zudem dienstlich dazu verpflichtet war, im Zuständigkeitsbereich zu arbeiten und analytisch rational mit den Themen umgehen musste. Es handelte sich auch um Entscheidungen über Menschenleben. Kohn vergleicht das bildlich mit einem Feueralarm, den einfach keiner entgegennehmen wollte. Er würde im Grunde wieder so handeln, wie damals, sich diesmal aber um eine engere Abstimmung mit seinem Vorgesetzten bemühen.

Der Vorsitzende fragt, ob die Bevölkerung zu diesem frühen Zeitpunkt der Pandemie desinformiert war und merkt an, dass es in dieser Phase der Pandemie um Einschätzung ging, vieles war am Anfang noch unklar und sehr komplex. Man müsse sich daher auch die Frage stellen, ob es sich hier um eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung handeln würde. Der vorsitzende Richter sieht hier nun das Ende der Erörterung zur Sach- und Rechtslage gekommen.

Der Anwalt Kohns findet es auch nicht richtig, dass sich weder das Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Verfahren, noch zuvor das BMI im Disziplinarverfahren bisher nicht mit den genannten Argumenten auseinandergesetzt haben. Sein Mandant habe lediglich auf dem falschen Weg eine zu scharfe Kritik an den bisherigen Maßnahmen zur Pandemiebewältigung untergebracht. Kohn sei nicht irgendjemand, der sich damit einfach befasst hat, sondern sehr intensiv. Der Oberregierungsrat ergänzt, dass die damaligen Maßnahmen nach seiner Ansicht nicht gerechtfertigt waren, da diese nicht mit anderen Schäden, wie beispielsweise verschobene dringende Operationen im Gesundheitsbereich oder Kontaktverbote im Schul- und Studienbereich, welche zu längerem Ausfall von Bildung führten, abgewogen wurden. Der dabei entstandene Schaden für die Gesellschaft sei immens. Damit setzte sich weder die Behörde, noch das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin auseinander. Schwerwiegende Grundrechtseingriffe für alle Menschen erfordern aber nach Ansicht Kohns Transparenz in den Behörden und der Verwaltung. Er sei damals ausschließlich seinem Gewissen gefolgt.

Der Vertreter des BMI ist derweil der Ansicht, dass Kohn sich damit gern hätte privat auseinandersetzen können, nicht aber dienstlich und sieht hier eine Wiederholungsgefahr. Es sei der falsche Eindruck erweckt worden, dass es sich hier um eine Position des BMI handeln würde, somit eindeutig konträr zu der damaligen Position des BMI.

Der Vorsitzende ist an dieser Stelle der Ansicht, dass man sich im Kreis bewegen würde, alles wesentliche bereits erörtert worden ist und möchte nun aber die Anträge der Parteien hören. Bestenfalls möchte der Vorsitzende noch etwas hören, was bisher nicht gesagt wurde. Besprochenes muss nicht wieder aufgegriffen werden. Auf Bitten einer beisitzenden Richterin gestattet der Vorsitzende vorerst eine Unterbrechung für deren dringenden Besuch der sanitären Örtlichkeiten.

Zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung verweist der Oberregierungsrat in seinem Schlusswort darauf, dass dies damals eine außergewöhnliche Situation gewesen sei und er unter enormer Anspannung stand. Er hatte im Vorfeld über einhundert Studien zur Situation ausgewertet und es wurden ihm normale Möglichkeiten in der strukturierten Organisation verbaut. Alle Beteiligten hätten von der Organisationseinheit zusammengebracht werden müssen. Er wollte lediglich Schaden vom Dienstherren abwenden.

Den vorsitzenden Richter zieht es nun offenbar endgültig in Richtung Mittagspause und dieser lässt von der Protokollführerin M. nun die vorformulierten Anträge der Beteiligten mit deren Einverständnis vorlesen.

Der Vertreter von Oberregierungsrat Kohn beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 16.03.2022 abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme als die Entfernung aus dem Dienstverhältnis zu erkennen.

Der Vertreter des BMI beantragt, die Berufung des Oberregierungsrates zurückzuweisen.

Der Vorsitzende Dr. Riese schließt nach gut zwei Stunden die mündliche Verhandlung und weist die Beteiligten noch darauf hin, dass der Senat keine grundsätzliche Bedeutung der Sache sieht und somit die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zulassen werde, da es sich hier nur um eine Frage des Einzelfalls handeln würde. Der Senat möchte direkt im Anschluss an die mündliche Verhandlung mit der wohl längeren Beratung und der Urteilsfindung fortfahren, wird abschließend noch durch den Vorsitzenden mitgeteilt.

Inzwischen ist das Urteil des Disziplinarsenats gefallen. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Damit wurde auch in zweiter Instanz die Entfernung des Oberregierungsrates Stephan Kohn aus dem Dienstverhältnis besiegelt.

Eine Gewissensentscheidung mit Rückgrat.

Dank an Stephan Kohn!

Goethes Faust im Berliner Landgericht

Der Straßenmusiker Arne Schmitt vor dem Berliner Landgericht.

Großartig inszenierte Theatervorstellungen gratis und ohne Frack und Zylinder erleben, geht so etwas wirklich?

Es geht, das Berliner Landgericht macht es möglich. Arne Schmitt ist zwar nicht Dr. Faustus, aber Parallelen zu Johann Wolfgang von Goethes Werk „Faust. Der Tragödie erster Teil“ lassen sich der Gerichtsverhandlung vor der Strafkammer des Landgerichts Berlin durchaus abgewinnen, denn auch hier sollte es nach vier Stunden für Schmitt eigentlich einen Pakt mit dem Teufel – in Gestalt von Staatsanwaltschaft und Gericht – geben, welcher Schmitt mit Hilfe von gerichtlichen Zaubermitteln wohl vom rechten Weg abbringen sollte. Allerdings ließen sich Schmitt und sein Gretchen – in Gestalt von Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier – nicht auf den Charme des von Mephisto dargebotenen Zaubertranks ein.

Im Hintergrund Arne Schmitt und sein Verteidiger, Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier direkt vor dem Portal 5 des Berliner Landgerichts in der Turmstraße 91, dem Zugang zum Sitzungssaal 101 (oben im Bild mit geöffneten Fenstern) und den Hochsicherheitssälen 500 und 700 des Gerichtsgebäudes.

Am Dienstag, dem 23.08.2022 sollte um 09.30 Uhr am Berliner Landgericht der Berufungsprozess in zweiter Instanz gegen den bekannten Straßenmusiker Arne Schmitt (Piano across the world) vor der 67. Kleinen Strafkammer stattfinden. In erster Instanz am Berliner Amtsgericht Tiergarten (ebenfalls im Moabiter Gebäudekomplex) wurde Schmitt am 21.12.2021 in „Abwesenheit“ zu 100 Tagessätzen von je 30 Euro zu einer Gesamtstrafe von 3.000 Euro verurteilt, vorgeblich wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und versuchter Körperverletzung, nach einer zuvor von der Polizei aufgelösten Demonstration und des damit nach 17 Jahren erstmals in Berlin wieder verbundenen Einsatzes von Wasserwerfern gegen Demonstranten und Bevölkerung am kühlen Nachmittag und frühen Abend des 18.11.2020 im Umfeld der Bannmeile des Reichstagsgebäudes an der Ebertstraße, der Westseite des Brandenburger Tores und der Straße des 17. Juni. Damit wäre Schmitt offiziell vorbestraft gewesen. Schmitt durfte an dem Prozess allerdings auf Grund von damaligen pandemiebedingten Quarantäne-Bestimmungen gar nicht teilnehmen und sich somit auch nicht verteidigen, obwohl er zur Verhandlung extra aus dem Exil aus Montenegro angereist war und somit vor dem Gerichtsgebäude strandete.

Auf morgendliche Nachfrage bei zwei Justizbeamten vor Ort am Eingang zum Gerichtsgebäude, welche sich gerade eine Friedenspfeife anzünden, erfahre ich, dass die Verhandlung im Vorfeld von Saal 621 in Saal 101 des Altbaus an der Turmstraße verlegt wurde und somit der Zugang nicht über den üblichen Haupteingang des Gerichtskomplexes erfolgt, sondern gesondert nebenan über das Portal 5, über das eigentlich der Zugang zu den Hochsicherheitssälen 500 und 700 des Gerichtsgebäudes für Prozessbeobachter erfolgt. In diesem Bereich finden sonst eher Rocker- oder Clanprozesse statt, wie derzeit gegen die vier Abou-Chaker-Brüder im Falle Anis Ferchichi, alias Bushido. Offensichtlich hält die Berliner Justiz den Straßenmusiker Arne Schmitt und seine erwarteten Anhänger und Vertrauten im Zuschauerbereich für besonders gefährliche Gestalten, welche nicht nur den Staat oder die Regierung, sondern auch die Justiz und deren Protagonisten delegitimieren könnten. Die vorsitzende Richterin im Verfahren hat daher auch vorab verfügt, dass sich alle Prozessbeobachter/innen einer eingehenden und strengen Sicherheitskontrolle nach gefährlichen Gegenständen zu unterziehen haben und sämtliche mitgeführten Taschen, Rucksäcke, Mobiltelefone, Schlüssel, Schreibgeräte und alle sonstigen Gegenstände abgegeben und in Schließfächern verwahrt werden müssen. Lediglich Brillen, Armbanduhren und Schmuck werden am Leibe der Zuschauer belassen. Der Gürtel darf diesmal am Mann oder der Frau bleiben. Möglicherweise gab es in der Vergangenheit bei der Gerichtskundschaft Entblößungsproble wegen fehlender Haltemechanismen und es kam somit zu Störungen der Verhandlung. Namen und Anschriften werden von einem Justizwachtmeister in eine Liste eingetragen, danach Personalausweise kopiert und müssen ebenfalls zur Quarantäne ins Schließfach. Die Kopien werden später von einem Justizwachtmeister in den Gerichtssaal geschleppt und abgeheftet. Die Frage zum Datenschutz bleibt unbeantwortet, angeblich werden die Kopien später wieder vernichtet. Seltsamerweise darf der Schlüssel für das Schließfach allerdings in den Saal mitgeführt werden, nebst einer kleinen gelben Papierkarte mit der laufenden Besuchernummer, welche zudem später den Justizwachtmeistern im Gerichtssaal sozusagen als Legitimation oder Eintrittskarte für die billigen Plätze im Saal gelten. Kein Zutritt ohne Platzkarte eben, die Dramaturgie zum bevorstehenden Bühnenstück nimmt Gestalt an. Ein schlichtes Schild im Treppenaufgang zu den Sälen weist noch darauf hin, dass im gesamten Bereich für menschliche Bedürfnisse keine Toiletten existieren. Wer also Groß und Klein loswerden oder sich einfach nur übergeben möchte, ist gezwungen, den Sicherheitsbereich wieder über das Portal in umgekehrter Reihenfolge über den Kontroll- und Schließfachbereich zu verlassen und entweder die Grünanlagen vor dem Gericht zu nutzen oder über den Haupteingang des Gebäudes, mit dortiger erneuter – aber abgemilderter – Zugangskontrolle die gerichtsinternen Toiletten aufzusuchen. Eine Rückkehr zur eigentlichen Theatervorstellung der Wahl ist dann allerdings nicht mehr ohne weiteres möglich. Nur wenn draußen vor dem Portal 5 kein Nachrücker oder eine Nachrückerin wartet, welche Vorrang genießen, und dann auch nur mit der entsprechenden erneuten zeitraubenden Prozedur und Durchsuchung durch die Justizwachtmeisterei. Hier gilt die Platzkarte nicht mehr. Da kann also schon mal was buchstäblich in die Hose gehen, bis man über zeitraubende Umwege die gerichtliche Porzellanmanufaktur erreicht und eine Rückkehr dann ohnehin obsolet ist. Möglicherweise ist das von der Führungsriege des Gerichts auch kalkuliert und soll abschreckend auf lästige Prozessbeobachter/innen wirken. Hier grüßt die Fratze der Justiz im demokratischen Rechtsstaat und delegitimiert sich im Grunde selbst als menschenverachtend.

Nach etwa einer halben Stunde ist die Einzelabfertigung am Einlass durch eine Reihe von Schleusen in Form von Sicherheitstüren, Metalldetektoren, körperlicher Visite durch Justizbeamte und der Verstauung von persönlichen Gegenständen durchlaufen und die 24 zugelassenen Prozessbeobachter/innen sammeln sich im Treppenaufgang vor der verschlossenen hinteren Tür für den Zuschauerbereich von Saal 101 im ersten Oberschoss. Die Besetzung der drei Zuschauerbänke wird in den kommenden gut vier Stunden Verhandlungsdauer aus toilettentechnischen Gründen leicht variieren. Mit etwa zehn Minuten Verspätung beginnt gegen 09.40 Uhr der Einlass für die Prozessbeobachter/innen in den Saal unter Vorlage der vorhin beschriebenen gelben Eintrittskarte und sodann die mündliche Verhandlung.

Alle teilnehmenden Protagonisten sind schon auf ihren vorgesehenen Plätzen im etwas größer anmutenden Gerichtssaal verteilt. Als Pressevertreter hat sich nur eine Person, offensichtlich aus dem weiteren Umfeld von Schmitt ohne Akkreditierung eingefunden. Alle großen Aasgeier der Öffentlich-rechtlichen und privaten Mainstream-Medien sind wohl irgendwo zu einem anderen Kadaver unterwegs, im wohlverdienten Urlaub oder auf Klassenfahrt in den Tiefen des Sumpfs des RBB. Neben der vorsitzenden Richterin Stachrowski sitzen ihre beiden namenlosen ehrenamtlichen männlichen Satelliten. Rechts von der Vorsitzenden an der Fensterfront der ebenfalls namenlose Staatsanwalt und zur Linken der Vorsitzenden die Protokollführerin, alle mit Maske natürlich. Die Fenster im Saal sind weit geöffnet, was ab und an lautstärkebedingt im Hinblick auf die Turmstraße zu leichten Verständnisproblemen führen wird. Etwas entfernt von der Richterpritsche auf Links davon und ohne jegliche Gesichtsverhüllung dann erst der bekannte Kölner Rechtsanwalt und Strafverteidiger Dirk Sattelmaier, neben ihm sein Mandant Arne Schmitt, der provokant ein dunkelblaues T-Shirt mit der hellen Aufschrift „FREISPRUCH!“ auf der Vorderseite trägt. Ansonsten tummeln sich in Reichweite des Zuschauerbereichs und zur Absicherung der ehrenwerten Gerichtspersonen noch drei maskenlose Justizwachtmeister in wechselnder Besetzung während des stundenlangen Verlaufs der Vorstellung. Eingreifen müssen werden sie nicht. Unter den zahlreichen Prozessbeobachter/innen sind auch szenebekannte Gesichter, wie der Thüringer Aktivist Thomas Brauner (alias Busfahrer Thomas) und der Sänger und Aktivist Björn Winter (alias Björn Banane).

Der Thüringer Aktivist Thomas Brauner im Interview nach dem Verhandlungstag vor dem Gerichtsgebäude.
Sänger und Aktivist Björn Winter (Dritter von rechts) nach dem Verhandlungstag.

Zuerst werden vom Gericht die erschienenen Beteiligten und Zeugen namentlich festgestellt. Nachfolgend trägt die Vorsitzende, die ihre Maske wenigstens bei der Kommunikation im Saal während der gesamten Verhandlung abnehmen wird, den Sachverhalt und die Verurteilung aus erster Instanz im Stakkato vor, sodass der geneigte Zuhörer kaum etwas versteht und seine Schwierigkeiten hat, dem etwas längeren Vortrag zu folgen.

Anschließend darf nun der Angeklagte dann seine Sicht der Dinge an jenem Novemberabend im Jahr 2020 darlegen und verweist zum Beweis seiner Unschuld auf diverse damalige Videomitschnitte der Szenerie von verschiedenen Privatpersonen, auch aus teils unterschiedlichen Perspektiven und Positionen, die teilweise auch dem Gericht schon als Beweismittel vorliegen würden. Auch habe er die Herausgabe seines Personalausweises nicht verweigert, sondern nach der Ansprache durch den Einsatzleiter der Polizei bereits seine Brieftasche, in der sich sein Ausweis befand, aus der Jackentasche geholt und auf das Piano neben sich gelegt. Ohne jegliche Vorwarnung der Anwendung von unmittelbarem Zwang durch den Einsatzleiter sei er dann nach kurzer Zeit überfallartig gewaltsam von mehreren Polizeibeamten vom Podest seines Pianos zu Boden gebracht und mit den Händen auf dem Rücken gefesselt worden. Beim Hochziehen vom Boden sei ihm noch durch einen Polizeibeamten ein wuchtiger Kniestoß gegen den linken Oberkörper versetzt worden. Danach wurde er von mehreren Beamten zum bereitstehenden Polizeitransporter in unmittelbarer Nähe getragen und über die geöffnete Hecktür bäuchlings mit dem Kopf voran in das Fahrzeuginnere geschoben worden.

Als erster Zeuge wird nun Schmitts Bruder Tobias in den Saal gerufen. Dieser begleitet nach eigenen Angaben seinen Bruder oftmals bei seinen straßenmusikalischen Aktionen, so auch am Nachmittag und frühen Abend des 18.11.2020 auf und an der Straße des 17. Juni in Berlins Mitte. Der Aussage von Tobias Schmitt wurde im erstinstanzlichen Verfahren zumindest im Urteil allerdings keine Würdigung beigemessen. Hier in der erneuten Verhandlung im Berufungsverfahren befragen die Vorsitzende und auch der Verteidiger den Zeugen eingehend zum damaligen Geschehen, an das sich Tobias Schmitt auch nach fast zwei Jahren recht gut erinnern kann. Auch, wie sein Bruder von der Polizei brutal zu Boden gebracht, bäuchlings mit den Händen auf dem Rücken gefesselt, mit einem Knietritt von einem Beamten in den seitlichen Rippenbereich versehen und anschließend von mehreren Polizeibeamten zum bereitstehenden Polizeitransporter an der Straße geschleppt wurde und dort bäuchlings mit dem Kopf voran und so mit dem Gesicht nach unten über die geöffnete Hecktür des Fahrzeugs unsanft ins Innere verbracht wurde. Auf wundersame Weise erlitt Schmitt bei der brutalen und unangemessenen Festnahme durch die übermotivierten Einsatzkräfte der Berliner Polizei keine schwerwiegenden Verletzungen und konnte nach etwa 25 Minuten wieder aus der polizeilichen Maßnahme, nach Feststellung der Identität entlassen werden.

Tobias Schmitt, der Bruder von Arne nach dem Verhandlungstag vor dem Gerichtsgebäude.

Nach etwa einer Stunde Verhandlungsdauer und der Beendigung der Vernehmung von Tobias Schmitt gibt es gegen 10.30 Uhr auf Weisung der Vorsitzenden die erste von insgesamt drei Pausen der mündlichen Verhandlung. Alle Prozessbeobachter/innen müssen den Saal wieder zum Hinterausgang in Richtung des Treppenhauses des Portals räumen und die Saaltür wird während der Pause von innen von einem Justizwachtmeister verschlossen.

Etwa zehn Minuten später wird der Prozess dann mit der Vernehmung des nächsten Zeugen, einem an dem damaligen Polizeieinsatz beteiligten Beamten der Berliner Bereitschaftspolizei fortgesetzt. Der stämmige 31-Jährige mit Migrationshintergrund und schwer verständlichem Namen erläutert dem Gericht auf Nachfrage, dass er und seine Kollegen zunächst vom Einsatzleiter zur Absicherung der eigentlichen polizeilichen Maßnahme nach außen hin beigezogen wurden, um die umstehenden Menschen auf Abstand zum Geschehen zu halten. Somit habe er zwar unmittelbar mit dem Rücken zum eigentlichen Geschehen gestanden, habe aber nach eigener Angabe alles Rückwärtige mit anhören können, was sich zutrug. Hiernach wurde Schmitt zuerst vom Einsatzleiter H. aufgefordert, seinen Personalausweis zur Identitätsfeststellung hinsichtlich der Fertigung einer Ordnungswidrigkeitenanzeige herauszugeben, nachdem der Angeklagte dem nicht nachkam, hätte der Einsatzleiter diesen mehrfach darauf hingewiesen, dass bei weiterer Nichtbefolgung der Anweisung unmittelbarer Zwang zur Durchsetzung der Feststellung der Identität erfolgen würde, folglich also mit Anwendung von Gewalt durch die Polizeibeamten. Kurz darauf wurde der Angeklagte dann von mehreren Beamten gewaltsam vom Podest des mobilen Pianos geholt, zu Boden gebracht und bäuchlings liegend mit den Händen auf dem Rücken gefesselt. Danach wurde Schmitt – nun auch unter unmittelbarer Hilfe des Zeugen – bäuchlings von mehreren Polizisten zum nahegelegenen bereitstehenden Polizeitransporter etwa zwanzig Meter getragen und dort an der Rückseite des Fahrzeugs, unter heftiger Gegenwehr vom Angeklagten in Form eines Fußtritts in Richtung eines der ihn tragenden Beamten, welcher sich nach Ansicht des Zeugen nur durch Wegducken vor schweren Verletzungen hätte schützen können, über die geöffnete Hecktür bäuchlings mit dem Kopf voran und dem Gesicht nach unten in das Fahrzeuginnere geschoben.

An dieser Stelle nun möchte das Gericht die vorliegenden Videoaufzeichnungen verschiedener Menschen vom Abend des Geschehens aus unterschiedlichen Perspektiven von einer zuvor von der Verteidigung eingebrachten DVD anschauen, was sich mit der vorhandenen Saaltechnik erst einmal etwas schwierig gestaltet, denn auch ein USB-Stick mit weiteren Videoaufzeichnungen des damaligen Geschehens, den Strafverteidiger Sattelmaier noch als Beweis einreichen möchte, ist offensichtlich nicht mit dem visuellen Abspielgerät, dem Laptop der Vorsitzenden kompatibel. Hier naht kurz vor der Verzweiflung unerwartete technische Hilfe von der Richterbank in Form eines der beiden Schöffen, einem jungen Bübchen und offensichtlichen Computer-Nerd. Dieser bastelt ein wenig und tippt auf dem Gerät der Vorsitzenden in den Programmen herum und lädt auch tatsächlich den Inhalt des eben eingebrachten USB-Sticks in die unendlichen Weiten des gerichtlichen Computers, da sich die Videos vom Stick auf diesem einfach nicht abspielen ließen. Nach einiger Bastelei kann die Vorführung im Saal nun für alle beginnen, während sich die Gerichtspersonen und der Staatsanwalt noch gute Plätze vor dem Großbildschirm an der Giebelwand der Gerichtspritsche sichern. Die Polizei selbst hatte keine visuellen Aufzeichnungen zum Einsatz gefertigt, wie sonst eigentlich in solchen Situationen mittlerweile üblich zur eigenen Beweissicherung. In gut zwanzig Minuten wird nun das damalige Geschehen aus mehreren Perspektiven und von verschiedenen Autoren beleuchtet, ab und an wird das Bild angehalten und es erfolgen kurze Nachfragen von der Vorsitzenden, dem technikaffinen jungen Schöffen und auch dem Verteidiger Schmitts an den Zeugen zum Geschehen und zur genauen Sichtung und Beurteilung der Lage im Einzelnen. Der Ton in den vorgeführten Videomitschnitten ist gegenüber dem Bild in meist deutlich schlechterem Zustand und auch in entscheidenden Sequenzen leider eher schwer verständlich.

Nachdem Gericht und Staatsanwaltschaft nach der Sichtung des Videomaterials keine Fragen mehr an den Zeugen aus der Riege der Polizei haben, befragt nun im Anschluss Strafverteidiger Dirk Sattelmaier diesen eingehend zum Geschehen und möchte wissen, ob dieser sagen könne, wann und wie oft er gehört habe, dass sein Mandant bei der damaligen Maßnahme vom Einsatzleiter auf den Umstand hingewiesen wurde, dass bei Nichtbefolgen der Aufforderung zur Vorlage des Personalausweises durch die Einsatzkräfte unmittelbarer Zwang zur Durchsetzung der Feststellung der Identität angewendet werden würde. Der Beamte verweist auf Grund der vergangenen Zeit auf seine damalige schriftliche Aussage im Zuge der Strafanzeige gegen den Angeklagten, kann aber im Saal keine genauen oder gar verbindlichen Angaben zu den Fragen des Verteidigers machen. Der bohrt indes weiter und möchte vom Zeugen wissen, ob dieser gesehen hätte, dass dem Angeklagten im Zuge der Festnahme durch einen beteiligten Beamten ein wuchtiger Kniestoß in die linksseitige Rippengegend versetzt wurde, unmittelbar nachdem dieser gefesselt vom Boden angehoben wurde. Dazu kann der Zeuge ebenfalls keine Angaben machen, da er erst wenig später aus der Position der Absicherung der Maßnahme heraus selbst direkt ins Geschehen eingriff, um die Kollegen tatkräftig zu unterstützen und den Festgenommenen zum in der Nähe befindlichen Polizeitransporter zu tragen. Er erinnere sich aber an einen Tritt des Angeklagten in Richtung eines seiner Kollegen, kurz vor der Einlieferung des Delinquenten in das Polizeifahrzeug.

Strafverteidiger Dirk Sattelmaier wirkt in seinen Zeugenbefragungen interessanterweise zunächst ein wenig behäbig, spricht langsam und ruhig, blättert immer wieder in den vorliegenden Akten, sucht damalige Aussagen der Zeugen und vergleicht diese mit den in der Verhandlung dargebotenen Äußerungen, während er seine Lesebrille stetig ab und wieder aufsetzt oder gönnt sich ein paar akademische nachdenkliche Sekunden, bevor er fortfährt, um dann gezielt und energisch auf Widersprüche zu stoßen und unangenehme Fragen hinterherzuschieben, wie ein Geier im Sturzflug auf die ahnungslose Beute. Auf diese Weise bringt er auch den Belastungszeugen aus den Reihen der Polizei zunehmend durch konkrete Nachfragen in Erklärungs- und Erinnerungsnot. Plötzlich kann der Zeuge sich nicht mehr genau erinnern, ob der Einsatzleiter den Angeklagten während der Maßnahme tatsächlich über die Folgen der unmittelbaren Anwendung von Zwang bei Nichtherausgabe des angeforderten Personalausweises belehrte oder dies gar wirklich auch noch mehrfach tat.

An dieser Stelle nun reicht Sattelmaier die Herumeierei des Polizeibeamten und er beantragt bei Gericht, den Zeugen wegen des Verdachts von Falschaussagen umgehend zu vereidigen, was die Vorsitzende süffisant mit der kurzen Begründung ablehnt, man sei hier schließlich beim Landgericht, was immer das bedeuten mag bleibt dem nicht juristisch versierten Betrachter verborgen. Eine Falschaussage eines Zeugen unter Eid, welcher aber ohnehin immer die Wahrheit bei Gericht angeben muss, hätte schwerwiegende strafrechtliche Konsequenzen für diesen bei Lügengeschichten oder erfundenen Sequenzen.

Sattelmaier nimmt die Ablehnung seines Antrags von der Vorsitzenden gelassen, quittiert diesen mit einem Lächeln in Verbindung mit einem leisen Zischen und gibt dem Zeugen den dezenten Hinweis, dass dieser sich genau jetzt noch einmal überlegen könne, ob er bei seinen Aussagen bleibe, oder aber zugebe, sich eben nicht mehr genau an die damaligen Geschehnisse mit absoluter Sicherheit erinnern zu können, bevor er sich durch mutmaßliche uneidliche Falschaussagen möglicherweise strafbar machen würde. Wie durch eine Zauberformel gibt der Zeuge nun an, er könne sich leider nicht mehr genau an die Geschehnisse im Hinblick auf die Fragestellungen erinnern, da diese immerhin schon fast zwei Jahre zurückliegen würden. Der Zeuge wird hiernach von der Vorsitzenden ohne Vereidigung und mit Dank entlassen und verlässt den Saal.

Mittlerweile geht es auf Mittag zu und so gibt es gegen 11.30 Uhr die nächste Pause von etwa zehn Minuten, welche die Prozessbeobachter/innen wieder im Treppenhaus des Portal 5 hinter dem verschlossenen Saal verbringen müssen, von denen einige immer noch vergeblich die nicht vorhandenen Toiletten im Sicherheitsbereich suchen und sich zwangsläufig vom weiteren Geschehen verabschieden. Dafür strömt immer noch Ersatz wieder hinzu, so auch ein in Berlin recht bekannter Fotograf, welcher eher der Umgebung der Antifa-Szene zuzurechnen ist. Das erzeugt bei den Verbliebenen einigen Unmut, dennoch arrangiert man sich mit der ungewohnten Situation im Zuschauerbereich.

Fortgesetzt wird die Verhandlung dann mit dem Kronzeugen der Anklage, dem 41-Jährigen damaligen Einsatzleiter der Polizei H., ein ebenfalls stämmiger und breitschultriger Geselle. Dieser tritt nach Aufruf mit FFP2-Maske in den Saal und weigert sich auch nach Aufforderung der Vorsitzenden, diese zur Befragung abzunehmen. Die Vorsitzende wird nun energischer und ordnet an, dass der Zeuge die Maske abzusetzen habe, das Gericht wolle Gesicht und Mimik des Zeugen bei seinen Aussagen erkennen können. Nach einigem Wortgeplänkel mit der Vorsitzenden folgt der Beamte widerwillig der Weisung des Gerichts, entfernt die Gesichtsverschleierung und beschimpft dabei die Vorsitzende lautstark, sie würde ihn dabei in seinen Grundrechten beschneiden und einer Gesundheitsgefährdung aussetzen, schließlich säßen hier genau jene Corona-Leugner in unmittelbarer Nähe zu ihm auf der Anklagebank, die die Pandemie verharmlosen (gemeint waren wohl Schmitt und Sattelmaier als dynamisches und maskenloses Duo). Die überaus deutliche Positionierung des Zeugen zu Beginn hier wird sich neben einer anderen fatalen Äußerung im weiteren Verlauf der Befragung noch schwerwiegend auf die Stützung des fragilen Kartenhauses der Anklage der Staatsanwaltschaft auswirken. Sozusagen ein gefundenes Fressen für Verteidiger Sattelmaier, der hier zwar tatsächlich buchstäblich mit auf der Anklagebank sitzt, allerdings nicht als Angeklagter.

Zuerst aber möchte das Gericht die Darstellung des Zeugen zur Vorsituation am späten Nachmittag am Brandenburger Tor während der Auflösung der genehmigten Demonstration und zur späteren eigentlichen polizeilichen Maßnahme am Abend des 18. November 2020 an der Straße des 17. Juni – und wie es dazu überhaupt kam – aus seiner Sicht erfahren. Der Einsatzleiter erläutert, dass Schmitt samt seinem mobilen Piano ihm schon am Nachmittag unangenehm aufgefallen war, während der Auflösung der zuvor genehmigten Demonstration gegen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes im Bereich des Brandenburger Tores, zu deren Absicherung er mit seiner Einheit abgestellt worden war. Dort sei eine polizeiliche Sperre zwischen Pariser Platz auf der Ostseite des Brandenburger Tores und dem Platz des 18. März auf der Westseite errichtet worden, damit die Auflösung der Kundgebung rund um die Ebertstraße, Straße des 17. Juni, Platz des 18. März und im angrenzenden Tiergarten nicht durch weiter hinzuströmende Teilnehmer oder Störer beeinträchtigt werden sollte. Schmitt wollte dort mit seinem mobilen Piano von Osten kommend zur Straße des 17. Juni, um dort vorgeblich Straßenmusik zu spielen, da er Straßenmusiker sei und eine behördliche Genehmigung dafür besitze, welche er auch in elektronischer Form als gespeicherte E-Mail mittels seines Mobiltelefons den Beamten gegenüber glaubhaft machen konnte. Schmitt wurde dann samt seinem Arbeitsgerät kurze Zeit später nach der Aufhebung der Sperrung durch die Polizeiführung in die gewünschte Richtung zum Musizieren durchgelassen. Etwas später wiederum kam es dann zur eigentlichen Situation, aus der heraus sich dann die polizeiliche Maßnahme entwickelte. Arne Schmitt spielte erst auf dem rechtsseitigen Bürgersteig der Straße des 17. Juni, unweit des Brandenburger Tores in Richtung der Siegessäule am Großen Stern. Von dort wurde er dann vom Zeugen direkt auf die gegenüberliegende Straßenseite zum Musizieren verwiesen. Der Zeuge H. gibt an, dass sich um das Piano von Schmitt eine größere Menschenansammlung ohne die damals geltenden Mindestabstände von 1,5 Metern bildete. Was nach seiner Ansicht gegen die damals geltende Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Landes Berlin verstieß. Eine konkrete Anzahl kann er hingegen nicht nennen. Mittlerweile war es an dem kühlen Herbsttag schon dunkel geworden. Da etliche umstehende Menschen brennende Kerzen hielten oder politische Bekundungen in Form von kleinen Papp- oder Plastikschildern mit Aufschriften oder Parolen mit sich führten, stufte der Einsatzleiter H. die Ansammlung als unangemeldete Kundgebung, beziehungsweise Ersatzveranstaltung der einige Zeit zuvor von der Polizei aufgelösten Demonstration in der Nähe von Bundestag und Brandenburger Tor ein. In der Folge trat der Einsatzleiter daher mit seinen Kollegen an den vermeintlichen Verursacher der unerlaubten An- und Versammlung – den Straßenmusiker – heran und forderte diesen auf, seinen Personalausweis zur Feststellung der Identität für die Fertigung einer Ordnungswidrigkeitenanzeige herauszugeben. Als Grund gab der Einsatzleiter an, dass Mindestabstände nicht eingehalten werden und der Angeklagte mit seiner Tätigkeit des Musizierens dies fördere und somit immer Menschen anlocken würde.

Hier hakt Verteidiger Sattelmaier ein und weist den Zeugen darauf hin, dass im vorhin vorgeführten Video eindeutig zu sehen ist, dass sich nur recht wenige Menschen im Umfeld von Schmitt und seinem Piano befanden, welche zudem die Mindestabstände weitestgehend einzuhalten schienen. Auch habe der Angeklagte nach der Ansprache durch den Einsatzleiter die Umstehenden angewiesen, etwas mehr Abstand zueinander zu suchen, was ebenfalls visuell belegt ist. Gleichzeitig habe sein Mandant seine Brieftasche, in der sich sein Ausweisdokument befindet aus der Jackentasche hervorgeholt und auf das Piano vor sich gelegt, was ebenfalls im Video gut zu erkennen war. Sattelmaier schlussfolgert daraus, dass sein Mandant hier der Weisung des Einsatzleiters zur Herausgabe des Personalausweises ja sichtlich nachkommen wollte und dies eben nicht verweigerte, wie dies der Zeuge und die Anklage behaupten würde. Der Verteidiger fragt den Einsatzleiter auch gezielt, wie oft dieser Schmitt in der Maßnahme aufgefordert habe, sich auszuweisen, wann er diesen genau über die Anwendung von unmittelbarem Zwang bei Nichtbefolgung der Anweisung aufgeklärt habe und wieviel Zeit etwa zwischen seiner Aufforderung und der gewaltsamen Festnahme vergangen wäre. Sekunden, Minuten, eine Stunde?

Einsatzleiter H. gibt auf die Fragen an, dass er den Angeklagten mehrmals aufgefordert habe, sich auszuweisen, was dieser aber nicht befolgte. Wie oft er Schmitt aufgefordert habe, könne er nicht mehr sagen, auf jeden Fall aber mehrfach. Der Zeuge ist sich auch sicher, Schmitt über die Folge von unmittelbarem Zwang zur Identitätsfeststellung bei Nichtbefolgung hinreichend belehrt zu haben. Das Schmitt nach der Aufforderung seine Brieftasche aus der Jackentasche hervorholte und auf das Piano legte, habe er gesehen. Ein Ausweisdokument habe der Angeklagte aber nicht aus der Brieftasche genommen, sondern seine linke Hand auf dieser belassen und stattdessen weiter mit ihm diskutiert. Eine zeitliche Einordnung zwischen seiner ersten Aufforderung zur Feststellung der Identität an Schmitt und seines Befehls zur Festnahme dessen könne er nicht vornehmen, mindestens aber seien zwischenzeitlich mehrere Minuten vergangen.

Hier nun reicht es Verteidiger Dirk Sattelmaier auch mit diesem Zeugen und seinen Darstellungen zum Geschehen an jenem Novemberabend. Sattelmaier wird energischer und hält dem Einsatzleiter H. vor, dass das zuvor im Gerichtssaal abgespielte Video der Situation deutlich zeige, dass H. seinen Mandanten lediglich ein einziges Mal zur Herausgabe des Personalausweises aufgefordert habe, woraufhin zu sehen war, dass sein Mandant seine Brieftasche aus der Jackentasche holte und auf das Piano vor sich legte, wohl um seinen Personalausweis daraus zu entnehmen. Ohne jegliche weitere Aufforderung durch den Zeugen oder gar der Belehrung über die bevorstehende Anwendung von unmittelbaren Zwangs zur Durchsetzung der Feststellung der Identität – wie dieser noch zuvor behauptete – wurde sein Mandant dann bereits nach etwa 30 Sekunden blitzartig gewaltsam zu Boden gebracht und festgenommen, wobei diesem die Hände auf dem Rücken gefesselt wurden und ihm beim Hochziehen noch durch einen Beamten ein wuchtiger Knietritt in den linken seitlichen Oberkörper verabreicht wurde. Sein Mandant widersetzte sich aber gar nicht der Festnahme, sodass solcherlei Gewaltanwendung weder notwendig, noch verhältnismäßig war. Zumal Schmitt sichtlich bereit war, sich gegenüber den Polizeibeamten auszuweisen. All das zeige das Video deutlich, auch die Einsatznummer des Beamten, welcher Schmitt den wuchtigen Kniestoß versetzte. Wie durch ein Wunder trug sein Mandant im Zuge der gewaltsamen Festnahme keine ernsteren Verletzungen davon.

Einsatzleiter H. wirkt angezählt, geht Rechtsanwalt Sattelmaier auf den Leim und rechtfertigt nun fatalerweise auch noch den bereits mehrfach erwähnten Kniestoß seines Kollegen in Schmitts Oberkörper mit der Ansicht, damit üblicherweise im Allgemeinen Widerstand in solchen Situationen brechen zu können und zu müssen, befohlen habe er dies allerdings nicht.

Rechtsanwalt Sattelmaier weist anschließend auch diesen Zeugen in Anbetracht des vorliegenden Videomaterials und die zurückliegende Zeit zum Geschehen auf den Umstand hin, seine Äußerungen noch einmal zu überdenken und dann noch einmal anzugeben, wann er Schmitt über die bevorstehende Anwendung von unmittelbaren Zwangs zur Identitätsfeststellung belehrt habe, wie es seine Pflicht gewesen wäre, bevor er eine solche Maßnahme durchführen könne. Auch sei sein Mandant nicht der Verursacher einer vermeintlichen Ansammlung gewesen, nur weil er Piano gespielt habe, sondern habe mit behördlicher Erlaubnis an jenem Nachmittag und Abend Straßenmusik, welche ja auch der Erzielung seines Lebensunterhalts dient, gespielt. Der Zeuge selbst habe ihm dies ja nach Überprüfung der elektronisch vorliegenden Genehmigung via Mobiltelefon gestattet, als er diesen auf die gegenüberliegende Straßenseite auf der Straße des 17. Juni zum Musizieren verlegte. Arne Schmitt schließt sich seinem Verteidiger noch mit einem bildhaften Vergleich zum Verständnis an, in dem er den Zeugen fragt: Wenn jemand einen Porsche am Straßenrand parken würde und dieser Wagen dann die Aufmerksamkeit von Menschen in der Nähe auf sich ziehen würde, diese dann das Fahrzeug umringen würden, würde dann auch der Fahrer des Porsche als Verursacher der Menschenansammlung angesehen? Oder wären es wohl eher die Menschen, welche zum Fahrzeug strömten?

Auf die bildhafte Frage gab es allerdings keine Antwort mehr vom Zeugen. Dieser gab abschließend nur noch zum Besten, dass er sich nach der bereits vergangenen Zeit von fast zwei Jahren nicht mehr so genau an Einzelheiten des Geschehens erinnern könne. Auch der Hauptbelastungszeuge H. wird vom Gericht ohne Vereidigung und mit Dank entlassen.

Da das Kartenhaus der Anklage auch mit der Befragung und den Äußerungen des Hauptbelastungszeugen immer mehr ins Wanken geriet und der Prozess damit eine Wendung zu nehmen schien, regte die Vorsitzende eine Unterbrechung der Verhandlung an und bat dafür die Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung zum Gespräch zur Richterbank. Alle anderen mussten den Saal wieder in bekannter Manier an die vorgesehenen Örtlichkeiten verlassen.

Nach gut zehn Minuten wird die Verhandlung gegen 13.20 Uhr fortgesetzt. Die Vorsitzende erläutert, dass das Gericht gegenüber den Vertretern der Anklage und der Verteidigung den Vorschlag der Einstellung des Verfahrens unter Auflagen gemäß § 153a StPO (Strafprozessordnung) bei Zustimmung der Beteiligten angeboten hat, also der Zahlung einer (unbekannten) Geldauflage an Schmitt zur sofortigen rechtskräftigen Einstellung des Strafverfahrens, dem der Vertreter der Staatsanwaltschaft als Voraussetzung zustimmen würde. Da hier in diesem Fall aber Schmitt auch für die Kosten des Verfahrens und die seines Rechtsanwalts hätte selbst aufkommen müssen, war dies für ihn und seinen Verteidiger nicht die Option und so lehnte die Verteidigung diesen Vorschlag vehement ab. Schließlich ist Arne Schmitt nach eigener Ansicht und der seines Verteidigers Sattelmaier unschuldig und vom Vorwurf freizusprechen. Zu einem Freispruch hingegen konnte sich der Vertreter der Anklage nicht durchringen, die Staatsanwaltschaft möchte wohl ihr Gesicht wahren, auch, wenn es angesichts der bröckelnden Beweise schwer fällt.

Da weitere geladene Zeugen aus der Riege der damals an der Maßnahme beteiligten Berliner Polizeibeamten aus Urlaubsgründen nicht am Verhandlungstag erschienen sind, diese aber nach Ansicht des Gerichts zur endgültigen Klärung der Vorwürfe noch gehört werden sollen und zudem das vorhandene Videomaterial durch eine Spezialabteilung des Berliner Landeskriminalamtes noch auditiv verbessert werden soll, wird die Verhandlung von der Vorsitzenden nach gut vier Stunden auf einen unbestimmten Zeitpunkt vertagt. Dies wird nach Angaben von Schmitts Verteidiger Sattelmaier nach dem Prozesstag wohl nicht mehr in diesem Jahr der Fall sein. Allerdings scheint auf Grund der aufkommenden Erinnerungslücken der bisherigen Belastungszeugen und der gezeigten Videosequenzen vom Hergang zum Vorwurf absehbar, dass auch die weiteren Zeugen den beginnenden Untergang der Anklage wohl nicht mehr aufhalten können, sondern nur noch hinauszögern werden. Zumal die Verhältnismäßigkeit der Gewaltanwendung durch die übermotivierten und teils voreingenommenen Polizeibeamten (was offensichtlich zumindest für den Einsatzleiter H. auf Grund seiner Aussagen vor Gericht gelten dürfte) immer mehr in Frage steht.

Fortgesetzt wird die Geschichte also demnächst im selben Theater nach historischer Vorlage in „Faust II“ – und natürlich wieder ohne Eintrittsgeld an der morgendlichen Justizkasse. Im Folgenden noch einige Impressionen nach dem Ende der Verhandlung vor dem Gerichtsgebäude.

Arne Schmitt nach der Verhandlung am Berliner Landgericht.
Mit Freunden …
… und bei Interviews.
Arne Schmitt vor dem Eingang zum Portal 5 des Gerichtsgebäudes.
Freispruch? Heute noch nicht.
Arne Schmitt mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Dirk Sattelmaier.
Sattelmaier und Schmitt im Interview.

Köpenick steht auf

Seit etlichen Montagen stehen immer mehr engagierte Bürger/innen auch in Köpenick für ihre Ansichten, Freiheit und Grundrechte ein und zeigen Gesicht und Haltung, wie hier im Bild Mitglieder der Berliner Feuerwehr, die sich am Protest am Abend des 14.02.2022 vom S-Bahnhof Köpenick zum Schlossplatz in der Köpenicker Altstadt beteiligten und so die Antwort auf das verachtende Palaver des derzeitigen Kanzler-Darstellers Olaf Scholz von „Roten Linien“ gaben.

Die Zahl der Teilnehmer der sportlichen Abendbetätigungen an Montagen hat hier in Köpenick, wie anderen Ortes auch, deutlich zugenommen. Am vergangenen Montag waren es etwa 600 Menschen aller Altersgruppen und gesellschaftlichen Schichten. Allein die stets von der sogenannten „stillen Mehrheit“ herbeifantasierten teilnehmenden Neonazis und Reichsbürger waren weit und breit nicht zu sehen und hatten Montags wohl ihren wöchentlichen Langschläfertag oder waren wieder mal nach Valhalla unterwegs, um ihrer verblichenen Kameraden zu gedenken. Still war es an solchen Montagen freilich auch um den sonst so eloquent auftretenden jungen Bürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel von der untergehenden ehemaligen Volkspartei SPD.

Dafür fanden sich an manchen Montagabenden wenige versprengte Gegendemonstranten ein und ketteten sich vor dem Eingang des Rathauses Köpenick zusammen, um das altehrwürdige Gebäude von 1901 vor den protestierenden Unholden zu beschützen und eine weitere „Köpenickiade“, also einen tolldreisten Streich wie Anno 1906 durch den vermeintlichen „Hauptmann von Köpenick“ zu verhindern. Aber die protestierenden Bürger/innen wollten gar nicht die Köpenicker Stadtkasse rauben, sondern ihre, von der Landes- und Bundesregierung geraubten Grund- und Freiheitsrechte legitim zurückfordern. Nachfolgend noch ein paar Impressionen von den vergangenen Montagabenden.

Großes Präsident*innen-Roulette

Die diesjährigen Silvestergrüße kommen aus dem Potsdamer Dienstaufsichtszimmer der Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, die wiederum die Dienstaufsicht über den Präsidenten des Sozialgerichts Berlin und seiner Mätzchen ausübt. Beides übrigens zuvor schon langjährige Weggefährten am Berliner Sozialgericht. Daher war das inhaltliche Palaver des Schreibens aus Potsdam zu meiner Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Präsidenten des Berliner Sozialgerichts durchaus erwartbar. Die Namen aller hier beteiligten Protagonisten sind übrigens ohnehin öffentlich in den jeweiligen Geschäftsverteilungsplänen oder in den Internetauftritten der Gerichte einsehbar und werden daher hier nicht geschwärzt.

Weihnachtsamnestie

Die diesjährige Weihnachtsgeschichte brachte der Hauptprotagonistin, der ehemaligen Berliner Landeswahlleiterin Petra Michaelis die strafrechtliche Amnestie für die Vorwürfe der Wahlfälschung und der Verletzung des Wahlgeheimnisses am Wahltag des 26.09.2021 als Hauptverantwortliche in Berlin. Allenthalben mögliche Ordnungswidrigkeiten müssen noch bei den Ordnungsbehörden ausgewürfelt werden. Als Santa Claus fungierte hier wieder pflichtbewusst und nach sicherlich umfangreichen und erschöpfenden Ermittlungsversuchen die Generalstaatsanwaltschaft Berlin in erwartbarer und belehrender Manier, während selbige Strafverfolgungsbehörden gegen tausende Bürger und Bürgerinnen in Berlin im Zuge der Ermächtigung des Infektionsschutzgesetzes wegen wesentlich niedrigschwelliger Verdachtsmomente Strafverfahren und Strafprozesse mit Akribie verfolgen. Bericht zur Strafanzeige hier unter: „Wahlen wie in Russland!?“.

Arbeitsvermittler wieder frei

Am 20.08.2021 erhielt ich mal wieder, diesmal im zweiten Versuch, ein tolles sogenanntes „Angebot einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung bei einem Träger“ von einer Vermittlerfigur aus meiner heimischen Jobcenter-Wunderwelt. Wegen der verfassungswidrigen (nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 05.11.2019 – 1 BvL 7/16) Androhung des kompletten Wegfalls des Arbeitslosengelds II in der Rechtsfolgenbelehrung des Angebots bei Nichtannahme erstattete ich am 28.08.2021 Strafanzeige gegen Herrn K. bei der Staatsanwaltschaft Berlin. Nach meiner Beschwerde gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft zum Nichtermittelnwollen erging nun die erwartbare folgende Verfügung der übergeordneten Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 09.11.2021 – mit interessanten ergänzenden Bemerkungen garniert – und endete mit der finalen Freilassung des Beschuldigten.

Wahlen wie in Russland!?

Auf meine Strafanzeige vom 28.09.2021 gegen die bereits zurückgetretene Landeswahlleiterin von Berlin, Petra Michaelis und andere wegen des Verdachts der Wahlfälschung nach § 107a StGB und des Verdachts der Verletzung des Wahlgeheimnisses nach § 107c StGB, hinsichtlich der gravierenden Vorkommnisse im Zusammenhang mit der Wahl zum Deutschen Bundestag, zum Abgeordnetenhaus von Berlin und zu den Bezirksverordnetenversammlungen von Berlin vom 26.09.2021 gab es nun den Bescheid der Staatsanwaltschaft Berlin vom 14.10.2021.

Gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Berlin werde ich natürlich Beschwerde bei der übergeordneten Generalstaatsanwaltschaft Berlin einlegen und zudem die Wahl vom 26.09.2021 nach der Veröffentlichung des amtlichen Endergebnisses für Berlin im Amtsblatt vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin anfechten, da der Landeswahlausschuss das Wahlergebnis am 14.10.2021 mit 8 zu 1 Gegenstimme bereits abgesegnet hat. Nachfolgend die Strafanzeige vom 28.09.2021.

Versammlungsroulette im Berliner Osten

Rund um das Brandenburger Tor, dem Pariser Platz und der gegenüberliegenden Straße des 17. Juni gab es am späten Vormittag des 28.08.2021 nichts zu holen. Hier konnte nur Schwarz im Versammlungsroulette gewinnen.

Dort wimmelte es nach der neuerlichen Verbotsorgie der Berliner Versammlungsbehörde von insgesamt 13 angemeldeten regierungskritischen Versammlungen und Demonstrationen am letzten Wochenende im August 2021 nur so von schwarzen Uniformen und Polizeiwannen samt Inhalt. Die „unabhängige“ Richterschaft am furiosen Verwaltungsgericht Berlin zeigte denn auch wieder blinden Gehorsam und lehnte drei von vier Eilanträgen gegen die Verbote im Namen der Sicherungsverwahrung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit von mündigen Bürgern und Bürgerinnen ab. Der demokratische Rechtsstaat – sofern überhaupt noch existent – wurde wieder einmal von der Judikative und der Exekutive bis zur Unkenntlichkeit verbogen. So funktioniert Gewaltenteilung aktuell, geteilt werden nur noch die gleichgeschalteten Meinungen der Beteiligten aus Regierung und Behörden.

Also ging es weiter im Glücksspiel, eine angemeldete und nicht verbotene Demonstration zu finden. An der Weberwiese in Friedrichshain sollte gegen 12.00 Uhr eine solche stattfinden. Angemeldetes wurde hier nicht serviert, aber die umstehenden Menschen waren offenkundig nicht hier zusammen gekommen, um Loblieder auf die Regierungspolitik anzustimmen. So formierte sich schnell in der angrenzenden Straße der Pariser Kommune der erste nicht genehmigte Aufzug von etwa 100 Menschen.

Und wuchs schnell auf mehrere hundert Teilnehmer aus allen Bevölkerungsteilen an, wie hier am Platz der Vereinten Nationen, Richtung Volkspark Friedrichshain.

Die Bedrohungslage für den Staat war damit offensichtlich so angewachsen, dass die Polizei gleich zwei Hubschrauber an dieser Stelle zur Lagebeurteilung einsetzen musste.

Es dauerte auch nicht lange, bis die herbeigeorderte Infanterie der Berliner Polizei anrückte und vorzugsweise die Rädelsführer oder Träger von Transparenten des Protestzuges festsetzte und Plakate oder Banner einzog.

Getreu dem Motto der Staatssicherheit der früheren DDR: „Schild und Schwert der Partei“. Heute dürfte sich die Polizei natürlich eher als „Schild und Schwert der Regierungsparteien“ verstehen, was aber auf das Gleiche hinausläuft.

Es handelte sich hier natürlich um die anliegende „Gedenkstätte der Deutschen Interbrigadisten“ im Spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939, in dem das Deutsche Reich den spanischen Diktator, General Francisco Franco unterstützte.

Gern wurden auch alte Mütterchen von der heldenhaften Berliner Polizei aufgehalten und kontrolliert.

Das alles half wenig. An der Ecke Am Friedrichshain/Otto-Braun-Straße stieß der nächste Zug von ungezogenen Demonstranten hinzu.

Erneut versuchte die Polizei dann an der Ecke Am Prenzlauer Berg/Prenzlauer Allee den Zug zu stoppen.

Auch das gelang der Handvoll Beamten nicht, die Menge wollte einfach den Anweisungen nicht gehorchen.

So zogen die Helden sich wieder in die sicheren Fahrzeuge zurück.

Stattdessen wuchs der Protestzug in der Prenzlauer Allee weiter an und die Polizei Berlin verkam ab jetzt im Grunde zur Verkehrslenkung Berlin, um Schaden von den motorisierten Verkehrsteilnehmern vor und hinter dem Zug abzuwenden.

Nicht immer gelang das allerdings den ungeübten und selbst ernannten Verkehrspolizisten.

Viele Autofahrer/innen nahmen es allerdings gelassen oder signalisierten sogar Solidarität.

An der Ecke Prenzlauer Allee/Immanuelkirchstraße unternahm die Polizei noch einmal einen zaghaften Versuch, die Versammlung aufzulösen. Die wenigen Beamten wurden allerdings nach kurzer Zeit von der Menge regelrecht überrannt.

Hier geht es von der Prenzlauer Allee nördlich in die Danziger Straße.

Danziger Straße in Richtung Schönhauser Allee.

Am darauffolgenden Sonntag, dem 29.08.2021 sollte am Humboldthain gegen 12.00 Uhr eine genehmigte Versammlung gegen den Leinenzwang für Hunde stattfinden, zu deren Beteiligung im Messenger Telegram aufgerufen wurde. Bei meiner Ankunft vor Ort am Bahnhof Gesundbrunnen gegen 11.30 Uhr war schon wieder Schwarz beim Versammlungsroulette am Siegeszug und verteilte fleißig Platzverweise an verdächtige Personen. Der naheliegende U-Bahnhof Voltastraße war sicherheitshalber von der Polizei komplett geschlossen worden, damit nicht noch mehr ungebetene Gäste hinzuströmen konnten.

Da sich das Protestgeschehen nach Informationen in Richtung Osten zum Mauerpark verlagert hatte, ging es per U-Bahn vom Gesundbrunnen zur Bernauer Straße.

Am U-Bahnhof Eberswalder Straße traf ich gerade noch rechtzeitig auf das Ende eines größeren Demonstrationszuges in Richtung Alexanderplatz.

An der Schönhauser Allee bog der Zug links in die Sredzkistraße ein.

Die Berliner Polizei gab nur noch Geleitschutz. Hier in der Knaackstraße.

Unter den Augen der Kanzlerin in spe wuchs der Protestzug in der Danziger Straße dann immer weiter an.

Hier zeigte sich sogleich wieder die hässliche Fratze der schlechten Verlierer in Schwarz. Direkt neben mir wurde der bekannte Aktivist, Rechtsanwalt Markus Haintz ohne ersichtlichen Grund von einem heraneilenden Sturmtrupp der Hessischen Polizei festgenommen. Offensichtlich die vorgegebene Taktik, die Rädelsführer zu entfernen und möglichst lange festzusetzen, damit die verbliebene Meute kopflos durch die Gegend irren sollte. Haintz wurde denn auch sogleich mit Handfesseln in einen bereit stehenden Polizeitransporter verbracht und hastig weggekarrt. Die Meute skandierte zum Abschied noch: „Markus, Markus“.

Die Berliner Zivilpolizei hängte sich mit zwei Fahrzeugen dem Ende des Zuges an.

Unterdessen schlichen auch wieder Riegen behelmter Schwarzkittel durch die Manege der Danziger Straße, um auf Weisung Rädelsführer und verdächtige Staatsfeinde zu entschärfen oder um Sachverhalte zu klären, um im Sprachjargon des ehemaligen Arbeiter-und-Bauern-Staates zu bleiben.

Begleitet in gewissem Abstand von ihren Weisungsgebern der 25. Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei, einem Zugführer rechts und dem Hundertschaftsführer links.

Auch die Hessischen Kampfesbrüder waren wieder zur Stelle, wirkten allerdings planlos, da der Zug oftmals spontan die Richtung änderte. Hier ging es von der Danziger Straße links in die Kniprodestraße.

Hier zeigt sich eindrucksvoll, wofür Großaufsteller von Wahlplakaten alles nützlich sein können.

Der Umstand, dass die Nationalflagge hier vom Darbieter falschherum geschwenkt wird, wird wohl dem Staatsschutz zur Untermauerung der These dienen, dass es sich hier bei den Protestierenden um solche Elemente handelt, die den Staat um jeden Preis delegitimieren wollen und deshalb auch nicht vor der Verunglimpfung des Staatssymbols zurückschrecken.

Die Transparente wurden schließlich auch immer staatsgefährdender. Das energische Einschreiten der Staatsmacht sollte denn auch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Truppen wurden bereits im Hintergrund zusammengezogen.

Von der Kniprodestraße ging es rechts in die Storkower Straße.

Storkower Straße in Richtung Landsberger Allee.

An der Kreuzung zur Landsberger Allee hatte die Polizei die Straße abgeriegelt, um den Zug an einem strategisch günstigen Punkt zu stoppen und mit den rückwärtigen Kräften am Ende des Zuges einzukesseln.

Dass gelang der Polizei eher schlecht, denn die Menschen suchten sich Wege durchs Unterholz, um über und neben dem S-Bahnhof Landsberger Allee zur Landsberger Allee zu gelangen. Vereinzelt versuchten rabiate Beamte dies zu unterbinden und nahmen widerborstige Protestler fest oder rangen diese zu Boden.

Den Blick gesenkt. Sind solche Einsätze gegen die eigene Bevölkerung noch legitim?

Auch ältere Menschen waren wieder äußerst gefährliche Elemente, die festgenommen werden mussten.

Wüsste man nicht, dass diese Bilder aus dem August 2021 aus der deutschen Hauptstadt stammen, könnte man annehmen, hier zur gleichen Zeit im Weißrussischen Minsk einem Polizeieinsatz beizuwohnen.

Abgang mit leeren Blicken.

An der Ecke Landsberger Allee/Petersburger Straße sammelten sich die Versprengten wieder zu einem neuen Demonstrationszug. Die Sächsische Polizei beobachtete die Szenerie.

Am Petersburger Platz begegnete ich dem bekannten Hamburger Arzt Heiko Schöning von den „Ärzten für Aufklärung“.

Bersarinplatz im Friedrichshain.

Vom Bersarinplatz ging es rechts in den Weidenweg.

Unter den Augen des Vizekanzlers und Kanzlers in spe strömten die Menschen an der Weberwiese auf die Frankfurter Allee.

Nach internen Angaben der Berliner Polizei sollen es hier gegen 15.00 Uhr etwa fünf bis sechstausend Demonstranten gewesen sein.

Weiter ging es dann die Straße der Pariser Kommune entlang und wieder stadtauswärts in die Landsberger Allee.

Der unabhängige Journalist Elijah Tee an der Ecke Landsberger Allee/Danziger Straße. In der Danziger Straße kesselte die Polizei dann den Demonstrationszug mit hastig herangezogenen Kräften für längere Zeit ein, stellte Personalien fest und schrieb nach eigenen Angaben massenhaft Ordnungswidrigkeitenanzeigen wegen des Verstoßes gegen die Infektionsschutzverordnung und das Versammlungsfreiheitsgesetz. 4.200 Beamte aus diversen Bundesländern waren nach Angaben der Polizei am Wochenende in Berlin eingesetzt und es kam zu 180 vorläufigen Festnahmen.

Die Polizei konnte aber wohl nicht alle Kritiker Dingfest machen. Einige kurvten immer noch durch Berlin.

Widerstand lässt sich nicht verbieten

Allem voran ein Gedanke dem ersten Todesopfer der seit 16 Monaten andauernden Proteste und seinen Hinterbliebenen. Der 49-jährige Mann war bei einer Identitätsfeststellung der Polizei kollabiert und kurz darauf im Krankenhaus verstorben. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat ein Todesermittlungsverfahren eingeleitet und eine Obduktion angeordnet.

Sämtliche für den 01.08.2021 und dem Vortag angemeldete Versammlungen in Berlin mit kritischem Bezug hinsichtlich den Regierungsmaßnahmen zur Pandemiebekämpfung und den fortbestehenden Grundrechtseinschränkungen wurden von der Berliner Polizei und deren Helfershelfern am Verwaltungsgericht Berlin und am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg politisch konform verboten, während am vergangenen Samstag über 65.000 Teilnehmer und Zuschauer des Christopher Street Day-Umzugs ohne Mindestabstand und teils auch ohne Maske durch die Berliner Innenstadt federten und die Berliner Schutzmänner sich fein zurückhielten.

Bei meiner Ankunft am Pariser Platz gegen 11.00 Uhr schafften die Berliner Helden in schwarzer Uniform denn auch bereits die ersten Tatsachen, um ihren Oberboss, den Berliner Innensenator und ehemaliges SED-Mitglied Geisel nicht zu enttäuschen. Verdächtige Radfahrer mit Plakaten und einschlägigen Parolen darauf wurden angehalten und zur Identitätsfeststellung zum Polizei-Karren verbracht. Menschen, die dies mit ihren Handys filmten wurden von weiteren Polizeibeamten abgedrängt oder mit Platzverweisen belegt.

Mir wollte man so ein Ding, also einen Platzverweis, kurze Zeit später auf der gegenüberliegenden Seite des Brandenburger Tores, auf dem Platz des 18. März andrehen, als ich diese willkürliche Personenkontrolle hier fotografierte. Eine hier nicht erkennbare Polizeigestalt zischte mich aus dem Hintergrund an, was ich hier mache und ich solle mich sofort entfernen.

Da es hier in der Gegend um Brandenburger Tor, Straße des 17. Juni und Großen Tiergarten von Polente aus verschiedenen Bundesländern nur so wimmelte und alles großflächig abgesperrt oder eingezäunt war, begab ich mich auf Hinweis ins Charlottenburger Westend in die Reichsstraße. Dort waren offenbar viele Menschen zu einer Spontanversammlung zusammengekommen, die zuvor als Zuschauer eines angemeldeten und auch genehmigten Autokorsos vom Olympiastadion fungieren wollten und von der Polizei dort aber vertrieben worden.

Bereits am Theodor-Heuss-Platz waren versprengte Gruppen von Protestlern unterwegs, die Polizei hatte die Reichsstraße abgesperrt und war zahlreich mit Fahrzeugen und Infanterie in Kampfmontur vertreten, um die staatsfeindlichen Elemente zum Gehorsam zu bringen. Doch diese leisteten der Staatsmacht nicht immer Folge und entwichen in Seitenstraßen, Hauseingänge oder suchten sich Wege der Freiheit durchs Unterholz der Grünanlagen oder Parks.

Hier stieß ich auch auf den suspendierten Polizeibeamten Michael Fritsch und …

… den bekannten Kölner Rechtsanwalt und Vorsitzender des Vereins „Anwälte für Aufklärung e.V.“, Dirk Sattelmaier.

Sattelmaier hatte auch gleich ein paar Musiker im Schlepptau, um der Polente aus Niedersachsen hier den Marsch zum Abzug zu blasen.

Westend, Bayernallee/Ecke Länderallee.

Gesuchte Polit-Gestalten und vermeintliche Gesundheitsexperten auf einem Fahndungsplakat.

Botschaft an einem Poilzeifahrzeug.

Der unabhängige Journalist Elijah Tee bei der Arbeit.

Auch die Ritter des „Marienordens der Königin des Himmels“ und …

… die Geistlichen der „Christlich Essenischen Kirche“ waren zur friedlichen Andacht vor Ort und sprachen Gebete.

Hörte der Feind mit?

Behelmte Sturmtruppen mit Schlagstöcken neben Kindern: „Wir leben im besten Deutschland, das es jemals gegeben hat.“ (Zitat: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 03.10.2020 zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit in Potsdam)

Hier die Antworten der Bürger auf Steinmeiers Festtagspalaver.

Ab etwa 14.00 Uhr verlagerte sich die Situation dann vom Charlottenburger Westend zunehmend in Richtung Innenstadt. Am Kaiserdamm traf ich noch auf Verstärkung aus Strausberg. Hier beim Marsch versprengter Gruppen vom Tiergarten zur City West, da die Siegessäule am Großen Stern bereits von der Polizei abgesperrt wurde und dort mehrere Wasserwerfer aufgefahren waren.

Meine Reise endete dann gegen 16.00 Uhr am Breitscheidplatz. Hier strömten aus allen Richtungen auch immer mehr Menschen zum Protest zusammen, wie auch später auf der Straße Unter den Linden und am Alexanderplatz. Nach Polizeiangaben wurden im Tagesverlauf etwa 600 Menschen vorläufig festgenommen. Die irrsinnige Verbotsbegründung der Berliner Polizei und deren Leitfigur Geisel, eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes der Bevölkerung dürfte somit vollkommen ins Leere gelaufen sein. Politische und moralische Gesinnung sowie Widerstand lässt sich nicht verbieten.

Widerstand: „Als Widerstand wird die Verweigerung des Gehorsams oder das aktive oppositionelle Handeln gegenüber der Obrigkeit oder der Regierung bezeichnet. Dabei ist es zunächst von nachgeordneter Bedeutung, ob die Machthaber, gegen die Widerstand geleistet wird, die Herrschaft legal, legitim oder aber illegal ausüben.“

Unterdessen denkt der SPD-Fraktionsvize im Bundestag Dirk Wiese schon mal laut über ein Verbot der „Querdenker“-Szene nach. Am besten zum 7. Oktober – dann würde die DDR ihren 72. Republikgeburtstag feiern, mit einem Fackelzug der FDJ für Ewiggestrige und Grundgesetzesleugner wie Wiese.

Der Kampf geht also weiter!